Die Ausgangssituation ist ernüchternd. Nach 2 Jahren Budgetfreiheit (2021 und 2022) greift der Gesetzgeber erneut zum Mittel der strikten Budgetierung mit zusätzlicher Kürzung der auf Landesebene verhandelten Punktwerte.Für 2023 bedeutet das ein Minus von 0,75% und für 2024 gar eines von 1,5%. Die Steigerung der Grundlohnsumme (GLS) ist hierbei das Maß aller Dinge (für 2023 lag sie bei +3,45% und 2024 bei +4,22%).
Wird ein Vertragsabschluss für das Jahr 2023 auf Landesebene über 3,45% erreicht, erfolgt eine Absenkung auf die GLS plus Kürzung um 0,75%, womit eine maximale Erhöhung der höchstzulässigen Obergrenze (Budget) und der Punktwerte im Vergleich zum Vorjahr von 2,7% möglich ist. Bei Vertragsabschlüssen unter der GLS (gab es in Berlin bis jetzt nicht nicht!) bleibt die Kürzung trotzdem in voller Höhe bestehen. Im Jahre 2024 sind maximal ein Plus von 2,72% bei Obergrenze und Punktwertsteigerung möglich (4,22% – 1,5%).Was dies in Zeiten von Inflation – mit deutlich gestiegenen Energie-, Material- und Personalkosten – bedeutet ist wohl allen Kolleginnen und Kollegen klar.
Wie sie auch alle wissen, hat der BEMA-Z in den letzten Jahren eine deutliche Ausweitung erfahren – was die Menge an Leistungen betrifft, die abgebildet werden. Vor allem die Einführung der aktuellen PAR-Richtlinie hat zu neuen Leistungen mit entsprechender Bewertung geführt. Neue und gleichzeitig budgetierte BEMA-Leistungen führen zwangsläufig zu einer Leistungsausweitung und damit zu einer Belastung der begrenzten Mittel. Es besteht also die Gefahr, dass die höchstzulässige Obergrenze (Jahresbetrachtung!) überschritten wird und der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) zu individuellen Kürzungen in den Praxen führt – vor allem im Jahr 2024!
Die KZVen stellten deshalb bereits zum Ende des Jahres 2022 Ihre HVMs „scharf“. Natürlich auch die KZV Berlin. Wir Berliner Zahnärzte haben einen Grenzwert-HVM getrennt nach Wohnort-Primär- und Ersatzkassen (WOP-PK/EK) für die Gruppe der Zahnärzte, Kieferorthopäden (kons./chir. Begleitleistungen) und die MKG/Oralchirurgen. Überdurchschnittlich hohe Fallwerte (Punkte/Fall), gekoppelt mit hohen Fallzahlen und niedrigen Praxisfaktoren führen zu entsprechenden Einbehalten im HVM die quartalsweise erfolgen. Die Liquidität der Praxis wird im Einzelfall enorm geschwächt. Der Basisgrenzwert für Berlin ist aktuell für die Gruppe der Zahnärzte (nicht für MKG/Oralchir. und KFO!) mit 100 Punkten (für zuvor genannte Kassenarten) festgesetzt. Das bedeutet aber nicht, dass ab 100 Punkten pro Fall HVM-Einbehalte erfolgen.
Die Einbehalte/Kürzungen durch den HVM sind abhängig von:
a) Fallzahl – getrennt für WOP-PK und WOP-EK,
b) Gesamtpunktmenge in Kons/Chir, PAR, KBR (minus Punkte für budgetfreie Leistungen*) – getrennt für WOP-PK und WOP-EK.
–> Aus Gesamtpunktmenge und Fallzahl ergibt sich die praxisindividuelle Punktmenge pro Fall (Fallwert) für WOP-PK/EK. In Abhängigkeit vom:
c) Praxisfaktor (HVM Anlage 1) – führt zu einer deutlichen Reduktion der Fallzahl (Fallzahl : Praxisfaktor) und ist abhängig von der Anzahl und dem Arbeitsumfang (Zeit) der in der Praxis tätigen Inhaber, angestellten ZÄ sowie Vorbereitungs- und Weiterbildungsassistenten, welche für die Ermittlung des
d) praxisindividuellen Grenzwertes erforderlich ist.
Die fallzahlabhängigen praxisindividuellen Grenzwerte können Sie aus den auf der KZV-Homepage unter HVM (Webcode: W00156) veröffentlichten Grenzwert-Tabellen, getrennt für Zahnärzte, MKG/Oralchirurgen und Kieferorthopäden, entnehmen. Achtung! Wird ein neuer Basisgrenzwert durch den Vorstand beschlossen (quartalsweise möglich) ändern sich natürlich die Grenzwerte entsprechend. Die aktuell veröffentlichten Tabellen gelten für den festgelegten Basis-Grenzwert.
Auf Basis der Punkte a) – d) unter Einbeziehung des Mischpunktwertes (Mittelwert der Punktwerte) für Primär- und Ersatzkassen, aktuell ca. 1,2 können sie nun mithilfe des HVM-Rechners (KZV-Homepage: Webcode: W00156) ermitteln, ob Sie von HVM-Einbehalten betroffen sind und in welcher Höhe.
85-90% aller Berliner Praxen müssen keine relevanten HVM-Einbehalte fürchten! Umdenken bzw. anders positionieren müssen sich deshalb nur die Praxen, welche auf Basis des vorab Dargestellten von relevanten HVM-Einbehalten betroffen sind. Die übergroße Mehrheit hat, wenn das Leistungs- und Abrechnungsverhalten keine relevanten Änderungen erfährt, nichts zu befürchten und deshalb muss die Mehrheit der Praxisinhaber auch nicht Umdenken. Natürlich müssen sie sich praxisindividuell bewusst werden, das die neuen budgetierten PAR-Leistungen (außerbudgetär bei Pflegebedürftigen und Patienten mit Pflegegrad oder Eingliederungshilfe, und bei § 22a Fällen mit begrenztem Leistungsumfang) unsere Fallwerte (Punkte/Fall) nach oben treiben. Das führt aber nicht dazu, dass die neue PAR-Strecke dem Untergang geweiht ist. Praxen mit „Luft nach Oben“ beim Fallwert haben hier durchaus weiterhin die Möglichkeit ungekürzt im Interesse ihrer Patienten tätig zu werden.
Für diejenigen, die ihren praxisindividuellen Grenzwert überschreiten gibt es natürlich Möglichkeiten einer sinnvollen Positionierung: Die aufsuchende Betreuung (mit und ohne Kooperationsvertrag) mit den zahlreichen außerbudgetären *Besuchs- und Zuschlagspositionen muss erwähnt werden, ebenso wie natürlich Zahnersatz (oft wird vergessen das es hierfür kein Budget mehr gibt) und *Vorsorge bei Kindern und Jugendlichen (IP und FU) – alles außerhalb der höchstzulässigen Obergrenze und nicht HVM gefährdet. Auch PAR-Behandlung geht, aber vor allem dann bei *§22a-Patienten in begrenztem Umfang (4, AIT a/b, CPT a/b, UPT c-f, 108, 111) sowie bei Patienten mit Pflegegrad und Eingliederungshilfe. Patienten mit Pflegegrad kommen oft in unsere Praxen und sind nicht immer als solche zu erkennen. Erheben sie den Pflegegrad in der Anamnese oder fragen sie ihre Patienten direkt ob ein solcher vorliegt – wenn ja, dann belastet die PAR-Behandlung auch nicht ihr Budget. Auch Privatleistungen (GOZ) sind natürlich ein guter Ausweg unser Budget nicht zu sehr zu belasten. Beim Steigerungssatz sollte hierbei 2,3 nicht mehr der Durchschnitt bzw. die Regel sein, denn das ist bei vielen GOZ-Leistungen mittlerweile unter vergleichbarem BEMA-GKV-Niveau!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war in aller Kürze einiges zu HVM und möglichen Auswegen aus der Kürzungsfalle. Die „Betroffenen“ werden, wenn sie sich nicht vorab mit der Thematik auseinandersetzen, spätestens mit den quartalsweisen Endabrechnungen von ihrem HVM-Quartals-Einbehalt erfahren. In relevanter Höhe könnte dies dann schon im Einzelfall zu einem bösen Erwachen und Verlust an Liquidität führen. Ob dieser HVM-Einbehalt letztendlich in eine HVM-Kürzung mündet wissen wir erst, wenn mit der Endabrechnung des Jahres 2023 (März 2024!) bzw. 2024 (März 2025!) ersichtlich wird, ob es wirklich zu Budgetüberschreitungen kommt! – Zumindest bei den Ersatzkassen ist dies meines Erachtens für 2023 sehr unwahrscheinlich. Vor unnötigen HVM-Einbehalten oder gar Kürzungen möchten wir sie natürlich bewahren und werden deshalb zu der Thematik: „HVM“ in den Bezirken entsprechende Fortbildungen durchführen, bei denen wir noch mehr ins Detail gehen können. Näheres finden Sie wie immer auf unserer Webseite: www.derverband.berlin unter Aktuelles – Termine.
Bis dahin verbleibe ich mit herzlichen, kollegialen Grüßen
Ihr Jörg Meyer